Zum Start-up-Hype an der TU Berlin

Dieses Jahr schwappt eine Start-up-Euphorie durch die Berliner Politik. Auch die TU Berlin ist mit dabei, immerhin kommen von hier viele treibende Kräfte der Berliner Start-up-Szene.

Wie bei Hypes üblich lassen alle möglichen Leute alles Mögliche unter demselben Schlagwort „Start-up“ laufen. Wahlweise geht es um die aufstrebende „Digitalwirtschaft“, um wachstumsorientierte Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen oder schlicht um alle Unternehmensgründungen, die zufällig in irgendeiner Statistik auftauchen.

Die Blase

Als eines der Haupt-Indizien für das Anbrechen des Berliner Start-up-Zeitalters gilt, dass zunehmend Risikokapital nach Berlin fließt. Laut Ernst & Young pumpten Venture-Capital-Geber*innen im 1. Halbjahr 2015 insgesamt 1,45 Milliarden Euro in aufstrebende Berliner Unternehmen. Im gesamten Vorjahr seien es nur 882 Millionen Euro gewesen. Der Vergleich zum Silicon Valley mit seinen 23 Milliarden Euro Jahres-Risikokapital-Investitionen (2014) ist zwar immer noch gewagt, aber in aller Munde.

Das liegt allerdings nicht nur an den vielen coolen Start-ups in Berlin, sondern an einer globalen Finanz-Dynamik: Anfang 2015 führte CB Insight in seiner Liste der „Einhörner“ 53 aufstrebende Nicht-Börsen-Unternehmen, die durch Wagniskapital-Druck jeweils auf über eine Milliarde US-Dollar bewertet wurden. Bis Ende August 2015 haben sich die Einhörner mehr als verdoppelt auf 132 mit einer Gesamtbewertung von 488 Milliarden Dollar. Der globale Markt ertrinkt in Venture-Capital und dessen Unternehmenswertphantasien.

Wenn man also keinen sehr guten Plan hat, wie man von der immanenten Implosion der Start-up-Blase profitieren wird, sollte man vermutlich nicht in Start-ups investieren schon gar nicht in solche, deren Produkte sich an andere Start-ups richten…

Die Studis

Zum Glück sind wir keine Investor*innen, sondern Studis.

Einige von uns Langzeitstudis haben bereits so Späße wie die Dotcom-Blase miterlebt. (Es ist sehr schade, dass die ganzen Online-Versandhändler damals nicht wie erwartet gewachsen sind Berlin wären viele der lamen Shopping-Center erspart geblieben…) Eigentlich ist es recht spannend, in so aufstrebenden Unternehmen mitzuspielen, auch wenn viele scheitern werden.

Je nach Start-up-Definitionen haben nur zwischen 5% und 50% der Start-ups Erfolg. Der Misserfolg wird normalerweise auf mangelnde Nachfrage oder schlechtes Zusammenspiel der Gründer*innen zurückgeführt. Mit anderen Worten fällt den Leuten auf, dass sie ihre Jugend in ein Projekt verschwendet haben, das niemand will, und dann kratzen sie einander die Augen aus.

Der Fetisch

Die Start-up-Kultur ist schwerwiegend fetischisiert. Ein Kult um Unternehmergeist und Kreativität versperrt den Blick auf die realen ökonomischen Verhältnisse.

So wird erstens zwar Innovativität gefeiert doch erfolgreich sind letztlich Unternehmen wie Zalando: eine mit Steuermillionen geförderte Kopie des amerikanischen Versandhändlers Zappos mit unmenschlicherem Antlitz.

In der Start-up-Welt wird zweitens Wachstum verherrlicht. Denn ohne explosionsartiges Wachstum kommt man nicht an die Risikokapital-Millionen, die man zum Durchstarten benötigt. Dadurch bewegen sich Geschäftsideen oft nur in einem überschaubaren Feld mit einem Schwerpunkt auf ToDo-Listen-Apps, Map-Diensten und Onlineshops mit inspirierendem PR-Material.

Der Gründungsfetisch und die „neuen“ Geschäftsideen gehen drittens mit einem beständigen Neu-Erfinden des Rads einher. Was sich wie Kreativität anfühlt, ist oft objektiv betrachtet, Dummheit und Verschwendung menschlicher Lebenszeit.

Die Ausbeutung

Der Erfolg von süßen Start-ups bleibt meist davon abhängig, wie bereits existierende große Player sie gebrauchen können. Investieren sie, weil sie bei einem sehr ähnlichen Start-up nicht rechtzeitig eingestiegen sind? Oder wollen sie einen Konkurrenten bedrängen? Oder ist es für sie schlicht billiger und risikoärmer gewesen, ein Team mit einem Projekt zuzukaufen, als selbst eine Abteilung dafür aufzubauen?

Wer die eigene Arbeitskraft und Kreativität in ein Start-up steckt, macht sich letztlich zum Depp des Kapitals und darf sich dabei frisch und unabhängig fühlen. Die kleinen und großen Ideen hingegen, die die Welt nachhaltig zum Besseren verändern, bleiben unvermarktbar.

Gerade während des Studiums bietet es sich an, mit Freund*innen ganz andere Dinge als „Start-ups“ aufzubauen: Soziale Zusammenhänge und Projekte, die nicht darauf ausgelegt sind, sich zu verbrennen. Zum Beispiel Wohngemeinschaften, Familien, Hacker-Spaces, Open-Source-Projekte, Polit-Inis oder Studi-Cafés was sich euch halt so aufdrängt.

Wer Dinge wirklich wachsen sehen will, sollte nicht auf die Logik kommerzieller explosionsartiger Expansion setzen.

Der Text ist in einer ähnlichen Version im AStA-Info #29 zum Erstsemestertag der TU Berlin im Oktober 2015 erschienen. Beim Erstsemestertag durften sich verschiedene Start-ups präsentieren. Allen voran warb Zalando unter den Studienanfänger*innen um Coder-Nachwuchs.

Studis vertreten – kann das emanzipatorisch sein? Was ist ein linker AStA?

Anlässlich der Konferenz „Studis vertreten – kann das emanzipatorisch sein?“ dieses Wochenende veröffentliche ich hier ein paar Zeilen, die ich mir Ende Juli 2014 über das „emanzipatorische“ Potential von ASten und vergleichbaren Organen notierte.

Wie funktioniert ein AStA?

Ein AStA ist „ein Unternehmen“.

Das AStA-Kollektiv produziert Service und Interessenvertretung für die Studierenden. Für die Univerwaltung ermöglicht es, bestimmte Fehlentwicklungen in der Behandlung von Studierenden zu erkennen.

Die Einnahmen sind die Finanzierung durch die Studierenden und der Zugriff auf universitäre Infrastruktur. (Somit sind Studis und Hochschule gleichermaßen „zahlende Kunden“ des AStA.)

Diese Mittel werden für zwei Dinge verwendet:

1. Die Herstellung der Dienstleistung. (Größtenteils unmittelbare Bezahlung von Arbeitenden.)

2. Den Struktur- und Machterhalt.

Teils wird dieser auch durch 1. gewährleistet. Wie bei jedem Unternehmen im Wettbewerb und jeder staatlichen Institution reicht guter Service allein aber nicht zum Überleben.

Durch günstige Wettbewerbslage (billiger Machterhalt) und oft durch (Selbst?)-Ausbeutung innerhalb des Kollektivs wirft die Produktivität des AStA beträchtlichen Mehrwert ab.

Der Mehrwert kann verschieden genutzt werden. Die dominanten Ansätze scheinen zu sein:

Ein linker („stadtpolitischer“) AStA setzt die Mittel ein, um linke Projekte zu unterstützen und vielleicht sich selbst progressiver zu gestalten.

Dazu analoge rechte ASten scheinen nicht zu existieren.

In einem Karriere-AStA wird der Mehrwert für die Karrieren einiger Mitglieder angeeignet.

Ein „Service-AStA“ bemüht sich, die Service-Struktur auszubauen und die Einnahmen zurückzufahren.

Genau betrachtet, zielen all diese Maßnahmen auch auf den Struktur-Erhalt. Man kann sich ihnen nicht entziehen.

Es müssen neue Leute angezogen werden, die sich für die Struktur und somit für „die Kunden“ den Arsch aufreißen.

Der AStA stellt den Rekrut*innen in Aussicht, mit dem Überschuss sympathische Projekte zu unterstützen, sich Karriere-Optionen zu erarbeiten oder „etwas Gutes zu tun“.

Insofern ASten also „Geld verbrennen“, ist das letztlich doch meist notwendig für den Betrieb der nützlichen Gesamtmaschinerie.

 

Ein AStA ist Teil des Staates.

Juristisch ist er ganz klar „Teilkörperschaft öffentlichen Rechts von Gesetzesrang“ (Berlin).

Als Teil des Staates dient er den Zwecken des Gesamtstaates.

Vermutlich kann man kaum einen AStA betreiben, ohne Nachwuchs heranzuzüchten für Parteien und öffentlichen Dienst.

Auch der Interessenausgleich zwischen Studierenden und den Institutionen, die sie durchlaufen, ist im Sinne der allgemeinen Systemreproduktion.

Auch ein linker AStA ist Staat.

Das scheinen Linke in ASten gerne zu vergessen.

Tatsächlich entfalten linke ASten sogar eine doppelte Staatlichkeit, indem sie gegenüber der Stadtpolitik finanzielle Herrschaftsmittel entwickeln.

Wenn ein linker AStA angeblich staatsfeindliche Projekte unterstützt, wie soll das den Zwecken des Gesamtstaats dienen?

Ein solcher Systemteil muss keine Verrücktheit innerhalb des Systems sein.

Staatsschutz und Verfassungsschutz selbst unterstützen ja Nazis. Letztlich festigt das sogar Position des Staates.

Es ist gar nicht so klar, ob man noch eine Trennlinie ziehen kann zwischen dem modernen Staat und seinen selbstgeschaffenen und eingebetteten angeblichen „Staatsfeinden“.

Das soll nicht in Abrede stellen, dass das System verrückt ist.

Gerade ein linker AStA ist ein tolles Domestizierungsprogramm für linksradikale Jugendliche.

(Musste auf den „Gang durch die Institutionen“ nicht der Sog in die Institutionen folgen?)

Gerade die Finanzierungsstrukturen, die durch linke ASten und Stiftungen entstehen, sind für ernsthafte Staatsfeinde unbrauchbar.

(Aber sie sind ganz nett für verkopfte Diskussionszirkel und das bedrucken vieler bunter Zettel.)

Es gibt also keinen Grund, sich übermäßig revolutionär vorzukommen.

 

Trotzdem sind ASten nicht die schlechtesten Orte für Anarchist*innen.

Dazu muss man allerdings einiges akzeptieren:

1. Noch jeder erfolgreichere Versuch, die Gesellschaft zu verändern, führte in Verstrickungen mit der Staatlichkeit.

2. Es ist nicht klar, ob Staatlichkeit überwindbar ist. (Die Rede von der Hierarchiefreiheit dient ohnehin meist nur dem Erhalt informeller Machtstrukturen.)

3. Methoden-Anarchie kennt nicht mal Ekel vor Verstrickung in das Abgelehnte.

Um Staatlichkeit zu bekämpfen, muss man sie verstehen.

Irgendjemand wird das Stützen der Staatlichkeit im AStA übernehmen. Warum sollte es also nicht jemand sein, der*die dabei Wissen erlangt, mit dem im größeren Kontext der Staatlichkeit begegnet werden kann?

(Das setzt eine gewisse Aufmerksamkeit für die Thematik voraus, damit man sich nicht „mehr als nötig“ korumpieren lässt.)

In einem AStA kann man lernen und ausprobieren, wie man trotz Verstrickung in die Staatlichkeit etwas Subversivität behält.

Falls jemals wieder der Anarchismus zu Bedeutung kommt, d.h. die Gesellschaft formt und somit staatlicher wird, dann sollte er doch vorbereitet sein.

An den Hochschulen geht’s ums Ganze.

Verbesserungen und Rechte für die Masse der Studierenden zu erkämpfen und zu verteidigen ist progressiv.

(Und nicht nur Eliten-Schmus: Proportion Industrieproletariat-zu-Gesamtbevölkerung zu Marx‘ Zeit war geringer als Studierende-zu-Jahrgang heute)

Wenig ist in der Informationsgesellschaft wichtiger als emanzipatorische Wissenschaftspolitik.

Sechs Jahre später

Phu, ist das hier eine gottverlassene Ecke des Internets! Ein Blick in die Aufrufstatistik suggeriert zwar, mrkeks.net würde noch viel aufgerufen. Vermutlich sind das jedoch alles Spam-Bots. Oder Aufrufe von mir, wenn ich wieder sentimental an die Zeiten denke, als mein Leben noch okay war und ich das hier öffentlich im Internet dokumentierte.

Einmal alle paar Quartale hat mich irgendetwas auf mrkeks.net stolpern lassen. Und ab und zu sprechen mich Leute auf die Inhalte dieser Seite an. Von 2006 bis 2009 dokumentierte ich hier recht reichhaltig, woran ich so arbeitete und worüber ich nachdachte. Das war einerseits eine Fortsetzung meiner alten Programmierer-Website – damals hatten Coder keine GitHub-Profile, sondern private Websites mit ihren Projekten. Andererseits beteiligte ich mich durch dieses Blog am myblog.de-Trend meiner Echt-Welt-Freunde – nur dass ich als Coder natürlich meine eigene Blog-Software in PHP+MySQL zusammenklöppeln musste. Das war eigentlich eine ganz gute Art, verschiedene Aspekte meines Lebens zusammenzuführen.

Aber dann…

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so recht, warum ich aufhörte, hier zu schreiben. Es drängt sich auf, folgenden Dingen die Schuld zu geben:

  1. Dem Studium und der Arbeit: Na klar, seit ich 2008 anfing zu studieren, dünnte sich meine Aktivität auf dieser Seite aus. Auf den ersten Blick reicht das fast als Erklärung. Mir scheint’s zu billig. Darum folgen weitere Nummern. ;)
  2. Der Politik: Ich habe in den letzten Jahren recht viel Zeit mit linker Studi-Politik verbracht. Über die spannenden Seiten davon hätte ich hier nicht viel schreiben können, ohne Vertraulichkeiten von Gruppen, in denen ich arbeitete, zu brechen oder anderweitig dämliche Rückkopplungen zu erzeugen. Und naja, ich verwende auch sehr viel Zeit dafür, Oganisationsöffentlichkeitsarbeit z.B. auf Facebook und Twitter zu machen, anstatt meine private Sicht der Dinge herauszuarbeiten.
  3. Der Entfremdung: In meinen politischen Zusammenhängen ist es recht unüblich, individuelle Autorenschaft für seine Erzeugnisse zu beanspruchen. Als studentische Hilfskraft an der Uni habe ich ebenfalls Dinge entwickelt und Hausaufgabenblätter verfasst, auf denen schließlich nicht mein Name stand. Und auch zu Texten, die ich fürs Studium schrieb, baute ich kein so persönliches Verhältnis auf wie zu Hausaufgaben-Stuff, den ich hier teils während meiner Schulzeit einstellte.
  4. Facebook: Heutzutage muss man ja aus irgendeinem Grund auf Facebook mitspielen, um halbwegs ökonomisch mit seinen Freund*innen so zu kommunizieren, wie ich es mal über diese Seite tat. Und ehrlich gesagt hat mir Facebook Internet-Kommunikation etwas verdorben: Man sieht viel deutlicher, wie dermaßen sich keine Sau für das interessiert, was man selbst wichtig findet – bzw. wie wenig der Facebook-Feed-Algorithmus das persönlich Relevante weiterträgt – und wie einfach man Reichweite mit Stumpfsinn entfalten kann.
    Dazu kommt noch dieses generelle entfremdliche Unbehagen, dass die eigene Kommunikation einem auf Facebook nicht mehr gehört, sondern sich in Facebooks Formalismus fügen muss und dabei manipuliert, observiert und enteignet wird.
    Zusammengefasst nutzte ich darum für vieles, was einst über diese Seite lief, Facebook und zugleich reduzierte ich dieses Verhalten, weil es auf Facebook weniger Spaß macht.

All diese Dynamiken wirken eigentlich immer noch. Aber indem ich sie hier reflektiere, vielleicht kann ich sie ja dadurch austricksen.

In den nächsten Monaten möchte ich hier einige meiner theoretischen, informatischen, politischen und gestalterischen Arbeiten der letzten Jahre nachtragen und kommentieren. Ich will mir meine Bröckchen Wissensgesellschaft der letzten sechs Jahre zurückerobern. Mal sehen, ob ich das schaffe.

P.S. Ich war gerade gaaanz kurz davor, das Projekt aufzugeben: Als ich für den Beitrag auf „Veröffentlichen“ klickte, kam eine WordPress-Fehlermeldung. Danach wurde ich auf einen sehr alten Entwurfsstand dieses Textes zurückgesetzt. Ich wollte schon weinend weglaufen und dieses Drecks-WordPress wieder deinstallieren. Nur dank des Network-Tabs in den Chromium-Entwickler-Tools konnte ich an das HTTP-POST-Request kommen, das noch den Text enthielt… Und ich dachte, WordPress sollte auch für Nicht-Programmierer benutzbar sein? xD

Paris

Sonntag: Zugfahrt. Le Guins „The Dispossessed“ wieder begonnen. Julia. Boulangerie. Im Regen schäumende Schuhe. Waschsalon.

Montag: Rumlaufen. Notre Dame.

Dienstag: Selber Einkaufen. Panthéon-Sorbonne. Wirklich stickiger Hörsaal.

Mittwoch: Musée d’Orsay, Maximilen Luce. Crème Brûlée. Eifelturm.

Donnerstag: Mémorial des Martyrs de la Déportation. Bildungsprotest, Science Po!. Kichererbsensuppe.

Freitag: Louvre. Champs-Élysées.

Samstag: Libraire Publico. Montmartre.

Sonntag: Zurück. The Dispossessed fertig. Baiz. Mate.