Studis vertreten – kann das emanzipatorisch sein? Was ist ein linker AStA?

Anlässlich der Konferenz „Studis vertreten – kann das emanzipatorisch sein?“ dieses Wochenende veröffentliche ich hier ein paar Zeilen, die ich mir Ende Juli 2014 über das „emanzipatorische“ Potential von ASten und vergleichbaren Organen notierte.

Wie funktioniert ein AStA?

Ein AStA ist „ein Unternehmen“.

Das AStA-Kollektiv produziert Service und Interessenvertretung für die Studierenden. Für die Univerwaltung ermöglicht es, bestimmte Fehlentwicklungen in der Behandlung von Studierenden zu erkennen.

Die Einnahmen sind die Finanzierung durch die Studierenden und der Zugriff auf universitäre Infrastruktur. (Somit sind Studis und Hochschule gleichermaßen „zahlende Kunden“ des AStA.)

Diese Mittel werden für zwei Dinge verwendet:

1. Die Herstellung der Dienstleistung. (Größtenteils unmittelbare Bezahlung von Arbeitenden.)

2. Den Struktur- und Machterhalt.

Teils wird dieser auch durch 1. gewährleistet. Wie bei jedem Unternehmen im Wettbewerb und jeder staatlichen Institution reicht guter Service allein aber nicht zum Überleben.

Durch günstige Wettbewerbslage (billiger Machterhalt) und oft durch (Selbst?)-Ausbeutung innerhalb des Kollektivs wirft die Produktivität des AStA beträchtlichen Mehrwert ab.

Der Mehrwert kann verschieden genutzt werden. Die dominanten Ansätze scheinen zu sein:

Ein linker („stadtpolitischer“) AStA setzt die Mittel ein, um linke Projekte zu unterstützen und vielleicht sich selbst progressiver zu gestalten.

Dazu analoge rechte ASten scheinen nicht zu existieren.

In einem Karriere-AStA wird der Mehrwert für die Karrieren einiger Mitglieder angeeignet.

Ein „Service-AStA“ bemüht sich, die Service-Struktur auszubauen und die Einnahmen zurückzufahren.

Genau betrachtet, zielen all diese Maßnahmen auch auf den Struktur-Erhalt. Man kann sich ihnen nicht entziehen.

Es müssen neue Leute angezogen werden, die sich für die Struktur und somit für „die Kunden“ den Arsch aufreißen.

Der AStA stellt den Rekrut*innen in Aussicht, mit dem Überschuss sympathische Projekte zu unterstützen, sich Karriere-Optionen zu erarbeiten oder „etwas Gutes zu tun“.

Insofern ASten also „Geld verbrennen“, ist das letztlich doch meist notwendig für den Betrieb der nützlichen Gesamtmaschinerie.

 

Ein AStA ist Teil des Staates.

Juristisch ist er ganz klar „Teilkörperschaft öffentlichen Rechts von Gesetzesrang“ (Berlin).

Als Teil des Staates dient er den Zwecken des Gesamtstaates.

Vermutlich kann man kaum einen AStA betreiben, ohne Nachwuchs heranzuzüchten für Parteien und öffentlichen Dienst.

Auch der Interessenausgleich zwischen Studierenden und den Institutionen, die sie durchlaufen, ist im Sinne der allgemeinen Systemreproduktion.

Auch ein linker AStA ist Staat.

Das scheinen Linke in ASten gerne zu vergessen.

Tatsächlich entfalten linke ASten sogar eine doppelte Staatlichkeit, indem sie gegenüber der Stadtpolitik finanzielle Herrschaftsmittel entwickeln.

Wenn ein linker AStA angeblich staatsfeindliche Projekte unterstützt, wie soll das den Zwecken des Gesamtstaats dienen?

Ein solcher Systemteil muss keine Verrücktheit innerhalb des Systems sein.

Staatsschutz und Verfassungsschutz selbst unterstützen ja Nazis. Letztlich festigt das sogar Position des Staates.

Es ist gar nicht so klar, ob man noch eine Trennlinie ziehen kann zwischen dem modernen Staat und seinen selbstgeschaffenen und eingebetteten angeblichen „Staatsfeinden“.

Das soll nicht in Abrede stellen, dass das System verrückt ist.

Gerade ein linker AStA ist ein tolles Domestizierungsprogramm für linksradikale Jugendliche.

(Musste auf den „Gang durch die Institutionen“ nicht der Sog in die Institutionen folgen?)

Gerade die Finanzierungsstrukturen, die durch linke ASten und Stiftungen entstehen, sind für ernsthafte Staatsfeinde unbrauchbar.

(Aber sie sind ganz nett für verkopfte Diskussionszirkel und das bedrucken vieler bunter Zettel.)

Es gibt also keinen Grund, sich übermäßig revolutionär vorzukommen.

 

Trotzdem sind ASten nicht die schlechtesten Orte für Anarchist*innen.

Dazu muss man allerdings einiges akzeptieren:

1. Noch jeder erfolgreichere Versuch, die Gesellschaft zu verändern, führte in Verstrickungen mit der Staatlichkeit.

2. Es ist nicht klar, ob Staatlichkeit überwindbar ist. (Die Rede von der Hierarchiefreiheit dient ohnehin meist nur dem Erhalt informeller Machtstrukturen.)

3. Methoden-Anarchie kennt nicht mal Ekel vor Verstrickung in das Abgelehnte.

Um Staatlichkeit zu bekämpfen, muss man sie verstehen.

Irgendjemand wird das Stützen der Staatlichkeit im AStA übernehmen. Warum sollte es also nicht jemand sein, der*die dabei Wissen erlangt, mit dem im größeren Kontext der Staatlichkeit begegnet werden kann?

(Das setzt eine gewisse Aufmerksamkeit für die Thematik voraus, damit man sich nicht „mehr als nötig“ korumpieren lässt.)

In einem AStA kann man lernen und ausprobieren, wie man trotz Verstrickung in die Staatlichkeit etwas Subversivität behält.

Falls jemals wieder der Anarchismus zu Bedeutung kommt, d.h. die Gesellschaft formt und somit staatlicher wird, dann sollte er doch vorbereitet sein.

An den Hochschulen geht’s ums Ganze.

Verbesserungen und Rechte für die Masse der Studierenden zu erkämpfen und zu verteidigen ist progressiv.

(Und nicht nur Eliten-Schmus: Proportion Industrieproletariat-zu-Gesamtbevölkerung zu Marx‘ Zeit war geringer als Studierende-zu-Jahrgang heute)

Wenig ist in der Informationsgesellschaft wichtiger als emanzipatorische Wissenschaftspolitik.

Ein Kommentar

  1. Baumann

    In zwei Wochen im TWH gibt es meine Kritik, aber um dir die Hauptthese zu verraten: der AStA ist KEIN Unternehmen und Service DARF NICHT an erster Stelle stehen, er ist mittel zum zweck.

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