Ich sitze seit Oktober 2014 für die Liste „Inis und andere ins Kuratorium!“ im höchsten Aufsichtsgremium der Uni. Es folgt ein kleiner – eher kritischer – Bericht darüber, was dort so geht und nicht geht, den ich fürs AStA-Info des AStA TU Berlin verfasst habe.
Am 11. Juni 2014 stehe ich im etwas gedrungenen Büro des Wahlvorstands der TU Berlin und verfolge, wie die Wahl-Ergebnisse fakultätsweise eintrudeln. Am Ende haben 0,3 % der TU-Studierenden mich gewählt. Die meisten meiner Wähler*innen kenne ich vermutlich persönlich. Bei einer Wahlbeteiligung von 0,8 % (8 Promille!) reicht das für eine solide relative Mehrheit. Yay, auf in eine wilde zwei-jährige Amtszeit!
Seitdem komme ich alle paar Monate freitags um 9 Uhr (Was für eine studierendenfeindliche Sitzungszeit!) in die Uni, knabbere Kekse, trinke Kaffee und kritele an der Uni-Leitung rum.
Theoretische Destruktivität
Das Kuratorium ist so etwas wie der Aufsichtsrat der TU Berlin. Es berät die Uni-Leitung bei strategischen Entscheidungen. Es genehmigt und entlastet Haushaltsentscheidungen. Für Studierende ist besonders relevant, dass Gebührenordnungen durchs Kuratorium müssen – sei es für Weiterbildungsangebote, sei es für studentische Veranstaltungen.
Das Kuratorium ist ein recht kurioses Gremium.
Strukturell ist es fast nur zu Destruktivität fähig. Durch seine Position am Ende von Entscheidungsprozessen kann es in diesen wenig konstruktiv mitwirken, sondern sie nur abnicken oder in der letzten Stufe aufhalten. Theoretisch.
Nach meinem Wissen hat das Kuratorium seit Jahren keine Prozesse mehr gestoppt. Wer will schon die Gebührensatzung eines Studiengangs ablehnen, der eigentlich gerade schon anläuft? Das Kuratorium ist also darauf angewiesen, dass die Uni-Verwaltung ihm gute Vorlagen zum Abnicken reingibt.
Externe Mehrheit
Auch die Zusammensetzung des Kuratoriums begünstigt, dass hier weder große Initiativen entstehen noch Vorgänge, die das Kuratorium erreichen, abgeschossen werden.
Sechs der elf stimmberechtigten Sitze gehen an uniexterne „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ – gewählt werden sie mehr oder weniger auf Vorschlag des Präsidenten durch den Akademischen Senat. Dabei wird darauf geachtet, hohe Tiere von Forschungsgesellschaften, Arbeitgebervereinen, Gewerkschaften, CDU und SPD abzudecken. Aktuell sind das Gesine Schwan und Ulla Burchardt (SPD), Matthias Kleiner (Leibniz-Gemeinschaft), Stefan Gerdsmeier (VBKI), Susanne Stumpenhusen (ver.di) und als Vorsitzende Rita Süssmuth (CDU). Indem die Externen auf genug anderen Hochzeiten tanzen, haben sie meist wenig Ambitionen, im Kuratorium der Uni-Leitung effektiv ins Handwerk zu pfuschen.
Ein weiterer Sitz geht an die Senatsverwaltung für Wissenschaft. Diese hat ohnehin als Rechtsaufsicht der Uni auch noch nach allen Uni-Entscheidung ihr besonderes letztes Wort. Zum Beispiel beschloss das Kuratorium am 9. Mai 2014, also noch vor meiner Amtszeit, eine Rahmengebührenordnung für die TU Berlin. Diese ist bis heute nicht in Kraft getreten, sondern tingelt zwischen Senatsverwaltung und TU-Leitung umher, bis sie dem Senat passt.
Interne sind auch dabei
Nur vier der elf Sitze werden durch Ur-Wahl mit TU-Mitgliedern besetzt. Je eine Person für Profs, sonstige Mitarbeiter*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Studis. Das ist eine Besonderheit, denn an anderen Unis gibt es im Kuratorium (heißt dort oft „Hochschulrat“) meist gar keine uniinternen Sitze oder, wenn es sie gibt, wählt der Akademische Senat die Mitglieder. Die TU Berlin ist hier also – relativ gesehen – extrem demokratisch. Nichtsdestotrotz haben die 99,2 % der Studierenden, die sich nicht die Mühe machten, zur Kuratoriumswahl 2014 zu gehen, schon etwas Recht mit ihrer stillen Einschätzung, dass ihre Stimme hier nicht den Lauf der TU-Geschichte verschieben würde.
Häufchen und Staub
Was die Politik im Großen anbelangt, ist das Kuratorium dazu verdammt, der Uni-Leitung Gesellschaft dabei zu leisten, wie sie den Geld-Häufchen hinterherhechelt, die andere Akteur*innen für sie platzieren. Da ist einerseits der Berliner Senat, der mit den sogenannten Hochschulverträgen die Hochschul-Unter-Finanzierung von wirren Zahlenspielchen abhängig macht, und andererseits das undemokratische Drittmittel-Dickicht mit Exzellenzinitiative, Deutscher Forschungsgemeinschaft, privaten Geldgebern und co.
Im Kleinen kann das Kuratorium aber genutzt werden, um Staub aufzuwirbeln für Dinge, die uns Studierende betreffen. So haben wir aus dem Kuratorium heraus angeschoben, dass studentische Veranstaltungen, Bundesfachschaftentagungen und Kongresse an der TU weiterhin günstig stattfinden können, ohne horrende Gebühren zu entrichten, und dass das WiWi-Café nicht ersatzlos für Büro-Räume weichen muss. Durch eine Diskussion im TU-Kuratorium kam der Prozess für einen neuen studentischen Tarifvertrag (TVStud) wieder ins Rollen. Und beim Strukturplan 2015 konnten wir dem Präsidium zumindest etwas den Rasen vor seinen halbgaren Kürzungsideen zertrampeln.
Am 9. Juni 2016 wird ein neues Kuratorium gewählt. Ich persönlich werde nicht nochmal antreten, sondern mich wieder auf Dinge konzentrieren, die noch mehr Spaß machen als Kuratoriums-Arbeit. Vielleicht mal wieder etwas Informatik studieren oder Arbeitskämpfe führen oder so.
Ein Jahrzehnt Viertelparität an der TU Berlin « mrkeks.net
[…] Kuratorium der TU Berlin als eine Art Aufsichtsrat befasste sich sodann über ein Jahr lang mit dem Vorschlag, holte ein weiteres Rechtsgutachte ein, […]